17.06.2024

Mit flexiblen Arbeitszeiten in der Pflege durchstarten

Artikel Badische-Zeitung

Mit flexiblen Arbeitszeiten in der Pflege durchstarten - Verlagsthema - Badische Zeitung (badische-zeitung.de) 

Die Heiliggeistspitalstiftung Freiburg will qualifizierte Pflegefachkräfte gewinnen und langfristig halten. Silke Merkel, Fachbereichsleiterin der Altenhilfe erklärt, wie das geht.

BZ: Wie ist aktuell die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte in der Altenhilfe?
Silke Merkel: Der Fachkräftemangel ist nicht nur ein Phänomen in der Altenhilfe, sondern in der gesamten Gesellschaft. Alle Berufsfelder sind davon betroffen. Wir können es aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: die Situation für ausgebildete Pflegefachkräfte ist exzellent, sie haben die Möglichkeit den für sie besten Job und die entsprechende Einrichtung auszusuchen.

BZ: Spüren Sie den Fachkräftemangel in ihrem Alltag?
Merkel: Alle unsere Einrichtungen sind voll belegt und laufen gut. Durch eine angemessene personelle Ausstattung stellen wir die Versorgung unserer Bewohnerinnen und Bewohner sicher. Wenn es zu Krankheitsausfällen kommt, ist es schwierig, aber das ist in anderen Berufen genauso. In diesen Fällen müssen wir Mitarbeitende zum "Einspringen aus dem Frei" anfragen, dies wird gesondert vergütet. Die Arbeit in der Pflege wird häufig negativ dargestellt. Dabei gibt es sehr viel Positives. Die Menschen in unseren Einrichtungen wohnen dort, sie verbringen ihren Alltag bei uns. Wir pflegen die Beziehungsarbeit und betreuen die Bewohnern in ihrer Umgebung, in ihrem Zuhause, umfassend. Unser Ziel ist es, den Menschen einen angenehmen Lebensabend zu ermöglichen. Es steht nicht die Gerätemedizin im Vordergrund, sondern der Mensch mit seiner Individualität. Selbstbestimmtes Leben im Pflegeheim zu ermöglichen, das ist unser Anliegen.

BZ: Welche Maßnahmen helfen dabei, Pflegekräften Wertschätzung zu geben?
Merkel: Wertschätzung fängt an, wenn ich den Mitarbeitenden grüße, wenn ich seinen Namen kenne und mit ihm im Arbeitsalltag auch einmal ein paar mehr Worte wechsle. Es sind nicht nur Benefits und Zulagen. Das ist heutzutage Standard. Die Stimmung ist für viele viel wichtiger. In einem guten Team kann ich mich auf meine Kollegen verlassen. Ein anderer übernimmt beispielsweise mal meinen Dienst, wenn ich kurzfristig tauschen möchte. Wichtig ist natürlich auch die Bezahlung. Gerade in der letzten Tarifverhandlung haben wir einen sehr guten und großzügigen Abschluss erreicht, der für die Mitarbeitenden in der Pflege ganz real mehr Geld bedeutet. Zusammen mit unseren Benefits wie Zuschüsse zur Deutschlandkarte, zur Kinderbetreuung oder günstige Sportmöglichkeiten wird es für die Mitarbeitenden richtig spürbar.
 
BZ: Welche weiteren Ideen haben Sie, um dem Mangel an Pflegekräften zukünftig entgegen zu wirken?
Merkel: Nicht nur die Suche nach Berufseinsteigern ist sinnvoll, sondern auch die Gewinnung von Menschen, die aus welchen Gründen auch immer eine Auszeit vom Pflegejob genommen haben. Wir möchten Wiedereinsteiger für den Pflegeberuf gewinnen. Es ist ein Beruf, der mittlerweile gut bezahlt wird und attraktiv ist. Man kann in jeder Lebensphase wieder einsteigen. Nach Erziehungszeiten oder Pflege von Angehörigen, in höherem Alter, mit kleinem Deputat oder wenn ich verbindliche und zugleich flexible Arbeitsmöglichkeiten suche.
Wir veranstalten im November einen kostenlosen Wiedereinsteigerkurs für Pflegefachkräfte. Darin werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und das aktuelle Wissen aus der Pflege vermittelt. So können sich Pflegefachkräfte in nur fünf Tagen wieder auf den neuesten Stand bringen.
Für den Wiedereinstieg nach einer Auszeit braucht es auch ein gutes Onboarding. Es soll ein Kurs sein, in dem ich mich in angenehmer Atmosphäre den fachlichen Inhalten wieder annähere. Wir geben den Leuten eine Hilfestellung, wieder in den Beruf zurückzukehren, so dass sich die Fachkräfte wieder zutrauen einzusteigen.
Durch die Möglichkeit einer anschließenden Hospitation in einer unserer Einrichtungen festigen die Wiedereinsteiger ihr fachliches Wissen weiter und lernen unsere Teams kennen. So kann jeder prüfen, ob er sich wohlfühlt und dort arbeiten möchte.

BZ: Was motiviert Sie persönlich – trotz dieser angespannten Situation – Ihren Beruf weiter zu machen?
Merkel: Ich habe ein gutes Team und sehr gute Mitarbeitende, die mich unterstützen. Die Möglichkeit etwas zu verändern, neue Wege für die bestehenden Probleme zu finden, das motiviert mich. Ich möchte nach vorne blicken und neue Lösungen finden. Im Zentrum stehen natürlich die Bewohnerinnen und Bewohner, die bestmöglich versorgt werden sollen. Das gibt mir eine hohe Motivation trotz dieser Widrigkeiten, uns von den anderen abzuheben, um geeignetes und gutes Pflegepersonal zu finden. Ich möchte alle gut versorgt wissen, unsere Bewohnerinnen und Bewohner und meine Mitarbeitenden. Als Leitung muss ich ganzheitlich denken, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Pflegeheime leisten einen großen Beitrag für die Gesellschaft. Wir werden alle älter und sind früher oder später auf Hilfe angewiesen. Als Pflegekräfte gestalten wir also unsere eigene Zukunft. Menschen müssen sich um ihre Mitmenschen kümmern, egal wie alt sie sind.